"Ein Zoologe würde eher die Zahnbürste seines Kollegen benutzen als dessen Systematik!" (ein Frankfurter Zoologe)
Auch für die Einteilung der Katzen trifft das zu. Die Familie der Felidae umfasst, je nach Quellenlage, zwischen 36 und 40 Arten. Einig ist man sich immerhin über die Einordnung der Familie im Gesamtsystem:
Reich: Tiere
Klasse: Mammalia (Säugetiere)
Ordnung: Carnivora (Raubtiere)
Überfamilie: Feloidea (Katzenartige)
Familie: Felidae (Katzen)
Die "traditionelle" Systematik* gründet sich auf Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Anatomie der
Katzen. Sie geht von 3 Unterfamilien aus: die Großkatzen, die Kleinkatzen und die Geparden:
- Die Großkatzen haben ein elastisches Zungenbein**; sie können brüllen und schnurren nur beim Ausatmen (Arten der Gattung Panthera).
- Die Kleinkatzen haben ein verknöchertes Zungenbein; sie können miauen, ihr Schnurren ist durchgehend (alle übrigen Arten).
- Die Geparden beziehen eine Sonderstellung, da sie im Gegensatz zu allen übrigen Katzen ihre Krallen nur unvollständig einziehen können (nur eine Art: der Gepard).
Molekulargenetische Untersuchungen der letzten Jahre zeigten, daß traditionelle Einteilungen nicht immer den tatsächlichen stammesgeschichtlichen Verwandschaftsverhältnissen entsprechen. Ich habe mich daher für die Systematik nach O'Brien und Johnson entschieden, welche die rezenten Katzenarten in 8 Hauptlinien einteilt, welche (nach aktuellem Kentnisstand) der Reihenfolge der evolutionären Abspaltung entsprechen. Die älteste Abspaltung, die der Panthera- und Neofelis-Arten, erfolgte dabei vor rund 10,8 Millionen Jahren, die jüngste Aufspaltung, der Felis-Gruppe, vor 3,4 Millionen Jahren.
Quelle: Stephen J. O'Brien & Warren E. Johnson:
Der neue Stammbaum der Katzen. - In: Spektrum der Wissenschaft, Juni 2008: 54-61.
1. Pantheralinie:
Panthera leo (Linnaeus, 1758): Löwe
Panthera pardus (Linnaeus, 1758): Leopard
Panthera onca (Linnaeus, 1758): Jaguar
Panthera tigris (Linnaeus, 1758): Tiger
Panthera uncia (Schreber, 1775): Schneeleopard
Neofelis nebulosa (Griffith, 1821): Nebelparder
Neofelis diardi (Cuvier, 1823): Borneo-Nebelparder, Sunda-Nebelparder
2. Borneokatzenlinie:
Pardofelis (syn. Catopuma) temminckii (Vigors & Horsfield, 1827): Asiatische Goldkatze
Pardofelis (syn.Catopuma) badia (Gray, 1874): Rotkatze, Borneo-Goldkatze
Pardofelis marmorata (Martin, 1837): Marmorkatze
3. Karakallinie:
Caracal caracal (Schreber, 1176): Karakal, Wüstenluchs
Caracal (syn. Profelis) aurata (Temminck, 1827): Afrikanische Goldkatze
Caracal (syn. Leptailurus) serval (Schreber, 1776): Serval
4. Ozelotlinie:
Leopardus (syn. Oncifelis) geoffroyi (D'Orbigny & Gervais, 1844): Kleinfleckkatze, Salzkatze
Leopardus (syn. Oncifelis) guigna (Molina, 1782): Chilenische Waldkatze, Nachtkatze, Kodkod
Leopardus tigrinus (Schreber, 1775): Tigerkatze, Ozelotkatze
Leopardus (syn. Oreailurus) jacobita (Cornalia, 1865): Andenkatze, Bergkatze
Leopardus (syn. Oncifelis) colocolo (Molina, 1782): Pampaskatze
Leopardus wiedii (Schinz, 1821): Langschwanzkatze, Baumozelot, Margay
Leopardus pardalis (Linnaeus, 1758): Ozelot
5. Luchslinie:
Lynx pardinus (Temminck, 1827): Pardelluchs, Iberischer Luchs
Lynx lynx (Linnaeus, 1758): Eurasischer Luchs
Lynx canadensis (Kerr, 1792): Kanadaluchs
Lynx rufus (Schreber, 1777): Rotluchs
6. Pumalinie:
Puma concolor (Linnaeus, 1771): Puma, Berglöwe
Puma (syn. Herpailurus) yagouaroundi (Lacépède, 1809): Jaguarundi
Acinonyx jubatus (Schreber, 1775): Gepard
7. Bengalkatzenlinie
Prionailurus bengalensis (Kerr, 1792): Bengalkatze
Prionailurus viverrinus (Bennett, 1833): Fischkatze
Prionailurus planiceps (Vigors & Horsfield, 1827): Flachkopfkatze
Prionailurus rubiginosus (Geoffroy Saint-Hilaire, 1831): Rostkatze
Otocolobus manul (Pallas, 1776) : Manul
8. Hauskatzenlinie
Felis chaus (Schreber, 1777): Rohrkatze
Felis nigripes (Burchell, 1824): Schwarzfußkatze
Felis margarita (Loche, 1858): Sandkatze
Felis silvestris (Schreber, 1775): Wildkatze
-> Felis bieti (Milne-Edwards, 1982): Graukatze, zählt hier als Unterart zu F. silvestris.
-> Felis catus (Linné, 1758): Hauskatze (Vorfahr: F. silvestris lybica, die Afrikanische
Wildkatze)
*) Erläuterung der Begriffe:
Die biologische Systematik ist die Wissenschaft von der Vielgestaltigkeit der Organismen und umfasst Einteilung (= Taxonomie), Benennung (= Nomenklatur) und Identifizierung ("Bestimmung") der Lebewesen.
Taxonomie nennt man die Lehre von der Klassifikation der Organismen, der Einteilung und Einordnung in Taxa (Taxon = als systematische Einheit erkannte Gruppe, in der Biologie findet man die Einheiten: Reich, Stamm, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung, Art, plus viele Zwischen-stufen, die findige Taxonomen im Laufe der Zeit hinzugebastelt haben.).
Diese Einordnung erfolgte früher nur nach äußeren Ähnlichkeiten, heute nach mutmaßlicher stammesgeschichtlicher Verwandtschaft. Zu Rate gezogen werden neben anatomischen Gesichtspunkten auch biochemische, physiologische, zellbiologische, ethologische und nicht zuletzt genetische Merkmale, um Verwandtschaftsgrade zu bestimmen. Und da die vielen Experten verschiedener Ausrichtungen sich keineswegs immer einig sind, findet man in jedem Lehrbuch eine etwas andere Systematik. Gerade genetische Untersuchungen (Vergleiche der DNA-Basensequenzen) haben in jüngster Teit für einige Überraschungen gesorgt. Im Stammbaum der Katzen beispielsweise, daß der Nebelparder zu den Großkatzen zählt oder der Gepard in die Nähe von Puma und Jaguarundi gerückt ist.
**) Neueren Untersuchungen zufolge hängt die Fähigkeit zu brüllen nicht mit dem Zungenbein zusammen, sondern mit einer speziellen Ausbildung des Kehlkopfes zusamen: dieser weist bei Tiger, Löwe, Leopard und Jaguar sehr lange Stimmlippen und ein Polster aus elastischem Gewebe auf; der Schneeleopard (als einzige Panthera-Art) und alle anderen Katzenarten haben diese Merkmale nicht und können auch nicht brüllen.